Gastbeitrag: Dürfen Veganer eigentlich Honig essen?

Gastbeitrag: Dürfen Veganer eigentlich Honig essen?

Marie von Lipfein habe ich über eine tolle Facebook-Gruppe für selbständige Mütter kennengelernt. Sie hat im Dezember meinen veganen Adventskalender unterstützt und es gab in einem Türchen tolle Lippenpflegeprodukte von ihr zu gewinnen.

Nun hat sie für mich einen tollen Gastbeitrag verfasst. Seit ich in Elternzeit bin gibt es hier auf dem Blog ja immer mal wieder Gastartikel anderer Blogger.

Im Artikel geht es um die Frage, ob Veganer eigentlich Honig essen (dürfen). Ich selbst habe mich im letzten Jahr auch einmal mit dem Thema befasst. Zum Artikel…

“Aber Honig kannst du doch noch essen?!

Eine umstrittene Frage

Die Frage zu Nutzung und Konsum von Bienen-Honig ist in der veganen Community umstritten und spätestens seit dem Film „More Than Honey“ hat die Diskussion darüber breite Kreise gezogen.

Auch bei mir selbst hat es ein wenig gebraucht, in dieser Frage einen klaren Standpunkt zu beziehen. Zunächst habe ich lange einfach keinen Honig gekauft, aber wenn irgendwo welcher drin war, dann war das halt so… Mittlerweile bin ich da konsequenter geworden und kaufe keinerlei Produkte, die Honig, Propolis, Bienenwachs o.Ä. enthalten.

Doch was ist denn jetzt eigentlich so „schlimm“ am Honig? Sind Bienen denn so empfindsame Geschöpfe und geben Sie den Honig nicht freiwillig her? Außerdem ist es doch wichtig, den Imker von nebenan zu unterstützen, oder? Denn die meisten kaufen ja nur regionalen Honig direkt vom Imker, oder?

Eines möchte ich voranstellen: Wie so oft muss jeder selbst entscheiden und es gibt, auch vom veganen Standpunkt aus gesehen, sowohl Punkte die dafür, als auch dagegen sprechen. Das Thema ist unglaublich vielschichtig. Doch der Reihe nach.

Die Biene – „nur“ ein Insekt?

Im Prinzip ist es ja eine der Kernthesen des Veganismus: Wir entscheiden uns bewusst gegen die Nutzung von Tierprodukten, weil Tiere in unseren Augen einen eigenen Wert haben und wir nicht wollen, dass sie für unsere Zwecke leiden. Für diese Sicht findet sich bei Hund und Katze, Pferd und Kuh viel Zustimmung. Aber gilt das auch bei Insekten, bei Bienen?

Konsequent wäre es natürlich zweifellos, einzelne Tierarten nicht nach einer menschlich definierten Wertigkeit zu gewichten. Ob ein Tier groß oder klein, nach menschlichen Maßstäben klug oder dumm, knuffig oder abstoßend ist, das sollte in meinen Augen moralisch irrelevant sein. Bienen sind demnach nicht mehr oder weniger wert als andere Tiere. Sie haben ihren (wichtigen) Platz im Naturkreislauf (dazu gleich mehr) und ganz ähnlich wie Kühe produzieren sie nicht für uns Menschen, sondern für das Überleben ihrer Spezies.

Wie entsteht Honig?

Damit sind wir auch schon bei der Frage, wie denn der Honig eigentlich gewonnen wird. Und auch wenn wir es hier mit einem hochkomplexen Prozess zu tun haben, ist auch ohne das Fachwissen einer Imkerin zumindest so viel klar: die Bienen produzieren Honig, um über den Winter zu kommen. Dafür fliegen sie im Frühjahr/Sommer zu den Pollen, sammeln dort den Nektar auf, entziehen dem Nektar Wasser, fügen in der Wabe körpereigene Enzyme hinzu und fertig ist der Honig.

Für die Ernte dieses Honigs ist es nun notwendig, den Bienen, zum Beispiel durch Rauch, einen Waldbrand vorzutäuschen, damit sie die Waben verlassen. Oftmals wird Ihnen dann eine Zuckerlösung als Winterfutter zur Verfügung gestellt.

Die kommerzielle Nutzung

Dieser Ablauf ist der Kern der Honiggewinnung. Und auch wenn er in jedem Fall einen Eingriff in das Leben der Bienen darstellt, gibt es natürlich Abstufungen in der Art und Weise, wie er geschieht. Worunter auch die Massentierhaltung fällt, aus der der überwiegende Großteil der weltweit konsumierten Bienenprodukte stammt.

Bienen in Massenhaltung leben nicht in Bienenstöcken und werden oftmals längeren Transporten unterzogen. Sie leiden unter den üblichen Folgen der industriellen Nutzung, sind in besonderem Maße anfällig für Krankheiten und bekommen viele Medikamente, auch Antibiotika. Viele Tiere werden beim Transport und bei der Ernte sowie durch die Krankheiten verletzt oder getötet.

Mich persönlich haben auch aus diesem Grund die Honigproduktions- und Handelsmengen beeindruckt. Allein im letzten Jahr wurden in Deutschland 23.400t Honig produziert und zusätzlich 17.400t aus Mexiko, 8.300t aus der Ukraine, 7.600t aus China, 7.100t aus Argentinien und 6.500t aus Chile importiert. (Quelle: Statista)

Diese Zahlen verdeutlichen ganz gut, welche Massen an Bienen von Nöten sind, um besagte Mengen an Honig zu produzieren. Denn: Eine Biene bräuchte statistisch 900.000 bis 6 Millionen Blütenbesuche, um 1kg Honig zu produzieren und würde dabei eine Strecke von bis zu 120.000km zurücklegen. Tatsächlich produziert eine einzelne Honigbiene aber „nur“ 2,5g – 3g Honig im Verlauf ihres Lebens. (Quelle: http://dachmarke.com/produkte/bienenwissen/)

Die Massenbienenhaltung ist deshalb alternativlos, sofern Honig weiterhin ein Produkt sein soll, das sich viele leisten können. Und wer preisgünstigen Honig aus dem Supermarkt kauft, der kann davon ausgehen, dass dieser aus Massentierhaltung stammt, noch dazu, wenn er aus „EG- und nicht EG-Ländern“ stammt. Was aber sind die Folgen?

Die besondere Bedeutung der Bienen

Dass Massentierhaltung und industrialisierte Landwirtschaft gravierende Folgen für Natur und Umwelt haben, ist bekannt. Auch die Honigproduktion macht dabei keine Ausnahme. Im Gegenteil.

In dem eingangs erwähnten Film „More than Honey“ wird Albert Einstein mit folgenden Worten zitiert: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.

Natürlich ist die Wahrheit hinter diesen zwei Sätzen wie so oft weitaus komplexer. Dennoch gilt: Für den Erhalt alles Lebenden braucht es Bienen. Denn etwa 80 Prozent aller Pflanzen sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Und momentan erlebt die Welt ein beispielloses Massensterben eben dieser Bienen, dessen Gründe bislang nicht vollständig geklärt sind.

Bewusster Verzicht oder artgerechte Haltung?

Was ist also zu tun? Ein erster Schritt ist natürlich, auf Bienenprodukte aus Massentierhaltung zu verzichten. Darin sind sich die meisten Menschen, denen unsere Umwelt und die Tiere am Herzen liegen, einig. Bleibt die Frage: Sollte daran der gänzliche Verzicht auf Honig anknüpfen oder ist nicht auch die sog. artgerechte Bienenhaltung eine Möglichkeit, auch weil sie ja einen gewissen Schutz der Bienen impliziert?

Gerade im mitteleuropäischen Raum ist die extensive – und so man will: artgerechte Imkerei vergleichsweise stark ausgeprägt. Sie orientiert sich an den Bedingungen, mit denen Wildbienen natürlicherweise leben. Das umfasst – einfach ausgedrückt – bspw. die Art und Weise wie die Bienen (natürlicher Schwarm vs. Kunstschwarm) leben, wo die Bienen (natürlicher Brutplatz vs. Bienenkasten) leben und was sie essen (Eigenversorgung vs. Fremdfütterung mit Zucker).

Dabei gilt: Je naturnaher die Bienenhaltung ist, desto weniger profitabel ist sie. Es lassen sich nur geringe Mengen Honig für den Privatverbrauch entnehmen. Artgerechte Imkerei ist deshalb vor allem ein Hobby, aber immerhin eine Möglichkeit, Honig zu herzustellen, ohne den Bienen und der Umwelt großen Schaden zuzufügen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Privatpersonen und Vereine, die für den Schutz der Bienen ebenfalls artgerechte Bedingungen schaffen, aber auf die Honigernte verzichten.

Ich persönlich denke: Weil die Bienen so wichtig sind, weil ihre natürlichen Lebensräume immer kleiner werden und weil sie dennoch so artgerecht wie möglich leben sollten, muss eben diese “Haltung”, ob nun mit oder ohne Honigentnahme gefördert werden. Das fängt im Kleinen an. Wer die Möglichkeit hat, kann für Wildbienen im Garten eine artgerechte Winterunterkunft bauen.

Gleichsam ist aus veganer Perspektive zu beachten: Im Unterschied zu Bienen brauchen Menschen keinen Honig. Warum sollte man einem Lebewesen etwas wegnehmen, das man nicht braucht? Aus diesem Grund habe ich mich bei der Herstellung meiner eigenen Kosmetikprodukte dazu entschieden, anstelle des üblichen Bienenwachses auf eine der zahlreichen Alternativen zu setzen, die es gerade im Kosmetikbereich reichlich gibt. Denn egal ob Candelillawachs, Carnaubawachs oder Beerenwachs: Sie alle sorgen für eine gute Festigkeit von Balsamen und sind gleichsam pflegend.

Und auch im privaten Rahmen verwende ich seit 2 Jahren keinerlei Bienenprodukte mehr. Perspektivisch möchte ich mich dem Thema mehr widmen und gegebenenfalls Kooperationen mit Vereinen suchen, die sich für artgerechte Bienenhaltung (ohne kommerzielle Absichten) einsetzen. So komme ich dann von der passiven in die aktive Unterstützung.

Eure Marie von lipfein”

 

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der lieben Marie für den tollen Beitrag.

Übrigens freue ich mich über jeden weiteren Blogger, der Lust hat einen Gastbeitrag bei mir zu veröffentlichen und so meine Elternzeit mit mir zusammen zu überbrücken. Schick mir gerne einfach eine Email an mail@vegtastisch.de oder kommentiert diesen Artikel, dann melde ich  mich bei Euch.

Vegtastische Grüße!

Sabrina

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