Shia Su ist Bloggerin auf wastelandrebel.com und in Deutschland wohl eine der bekanntesten Vertreter des sogenannten „Zero Waste“-Lifestyles.
Vor kurzem hat sie ihr erstes Buch „Zero Waste: Weniger Müll ist das neue Grün“ herausgebracht (freya Verlag, 14,90 Euro).
Für meine monatliche Kolumne im POCKET MAGAZIN für Ulm und Umgebung durfte ich ein Interview mit ihr führen.
Interview mit Shia Su von wastelandrebel.com
Was würdest du Personen raten, die ins Zerowaste-Leben einsteigen wollen? Wie fängt man am besten an? Von 0 auf 100?
Ich persönlich bin ja kein Fan von den von 0 auf 100 Sachen oder derartigen Selbstversuchen, wo der Frust ja schon vorprogrammiert ist. Das ist im Grunde so, als ob man mir abverlangen würde, morgen direkt mal einen Marathon zu laufen. Da ich seit Jahren schon nicht mehr laufen war, wäre das natürlich dann alles ganz schwer und doof – wenn ich überhaupt ans Ziel komme. Meine Meinung: Man muss sich das Leben doch nicht unnötig schwer machen.
Lieber also mal tief durchatmen und bei Level 1 anfangen: Gucken, wo es überhaupt hakt. Man kann mal ein, zwei Wochen lang seinen Müll genauer unter die Lupe nehmen. Dann sieht man, wo man am meisten anschleppt. Ein großer Teil davon wird recht leicht zu eliminieren sein, z.B. indem man tatsächlich mal den Jutebeutel oder einen Kaffeebecher einsteckt. Davon sucht man sich gezielt was raus und fängt da an. Wichtig ist, überhaupt irgendwo anzufangen. Und das natürlich am besten bei den einfachen Sachen, wir sind schließlich erst im Level 1. Wenn das dann sitzt geht es weiter. In meinem Buch “Zero Waste: Weniger Müll ist das neue Grün” gehe ich genau diese Punkte durch und biete Tipps für einen einfachen Einstieg mit ganz simplen Umsetzungsmöglichkeiten. Und die kann jeder in seinem eigenen Tempo umsetzen. #TurtleSpeedPower
Was sollte diese Person tun, wenn ein kleines Motivationstief kommt und das Engagement irgendwie aussichtlslos erscheint?
Hm ja, häufig bekommt man an den Kopf geworfen, dass das, was man macht doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sei. Dabei ist es so, dass komplexe Probleme wie Umweltverschmutzung auch nicht etwa ein Einzelner verursacht hat. Dementsprechend wird natürlich auch kein Einzelner sie lösen können.
Wie man die Leiter hochklettert, so kommt man sich runter: Schritt für Schritt, pflegte ein ehemaliger Arbeitskollege von mir zu sagen. Seit den 50-er Jahren konsumieren immer mehr Menschen immer mehr und schneller. Dementsprechend müssen jetzt halt immer mehr Menschen ihren Lebensstil etwas nachhaltiger gestalten. Und wer daran arbeitet, nachhaltigere Alltagsroutinen einzuüben, ist zumindest schon mal ein Teil der Lösung und nicht des Problems.
Ich sehe das Ganze perspektivisch übrigens auch weniger als “Engagement”, sondern als Rücksichtsnahme. Ich persönlich möchte so wenig wie möglich auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt leben. So erübrigt sich übrigens die Frage, ob man damit die Welt rettet. Stattdessen wird klar: Nur, weil man allein die Welt vielleicht nicht “retten” kann, heißt es ja nicht, dass man sie weiter zerstören muss.
Ulm ist eine Stadt, die bisher noch keinen Unverpackt-Laden besitzt. Was sind deine Tipps fürs Einkaufen in solch einer Region?
Der nächste Unverpackt-Laden von Ulm aus ist “Regional und unverpackt” in Schwäbisch Gmünd, was ungefähr die Distanz war, ich die bis vor kurzem zum nächsten Unverpackt-Laden zurücklegen musste. Zwei Stunden waren es bei mir von Tür zu Tür, wenn die Bahn keine Verspätung hatte und ich alle Anschlüsse bekam. Jetzt “nur noch” eine Dreiviertelstunde, weil ein neuer aufgemacht hat. Und selbst bevor es diese wunderbaren Läden gab, ging es. Allerdings muss man herausfinden, wo es was gibt und seine Einkaufsroutinen anpassen.
Wir kaufen 1-2x die Woche frisches Obst und Gemüse bei uns um die Ecke in einem der kleinere Bioläden oder auf dem Wochenmarkt. Unsere Trockenwaren füllen wir nur alle 6-8 Wochen auf, denn die werden ja nicht schlecht und so hat man auch lange Ruhe. Dafür fahren wir dann auch wohl eine Distanz. Aber wir fahren dann dort nie nur zum Einkaufen hin. Wir verbinden das mit einem Tagesausflug oder besuchen Freunde oder Familie. Oder wir kaufen ein, wenn wir z.B. arbeitsbedingt ein einer Stadt mit einem Unverpackt-Laden sind.
Wie gesagt, eine gute Anlaufstelle sind kleine Bioläden und Wochenmärkte. Ketten, wie es nun einmal die meisten Supermärkte sind, sind generell sehr unflexibel, da darf ja häufig nicht mal die Filialleiter*in entscheiden, ob man das nun in die eigene Dose bekommen darf.
Ethnische Läden sind meistens super: Türkische Gemüseläden haben manchmal auch loses Trockenobst, Nüsse und Hülsenfrüchte oder Gewürze in Gläsern. Asia-Shops verkaufen auch häufig Reis und Tofu lose. Bäckereien mit Backstube kann man mal fragen, ob sie einem Backpulver, Hefe, Mehl, Kerne usw. unverpackt verkaufen. Bestimmt gibt es in Ulm auch ein italienisches Restaurant, welches Pasta selbst macht. Die freuen sich sicherlich, wenn man fragt, ob man die leckere Pasta auch für zu Hause kaufen kann. Süßkram gibt es ganz häufig lose: In Kaufhäusern, auf der Kirmes, auf dem Weihnachtsmarkt oder in Schokoladenfachgeschäften… Tee und Kaffee gibt es in Kaffeeröstereien und Teeläden eigentlich immer in seine eigene Dose gefüllt. Beim Bäcker bekommt man auch eigentlich alles problemlos unverpackt über die Theke gereicht, wo man es entgegen nehmen und in den eigenen Beutel tun kann.
Man findet wirklich viel, wenn man einfach mal mit anderen Augen durch die eigene Stadt geht. Wir sind zwei Jahre lang am Gewürzstand auf dem Wochenmarkt vorbei gelaufen, bis er uns mal auffiel und wir auf die Idee kamen, zu fragen. Und natürlich ging es, freut er sich sogar, wenn man mit seinem eigenen Gefäß kommt!
Mittlerweile hältst du sogar Vorträge über dein Zerowaste-Leben. Wie verrückt fühlt sich das für dich an und hättest du gedacht, dass es einmal so kommt?
Das ist schon alles irgendwie ganz verrückt. Als ich Wasteland Rebel anfing, hab ich nicht mal damit gerechnet, dass viele Leute den Blog lesen würden. Denn wenn man “Wasteland Rebel” bei Google eingibt, kommen Bilder der gleichnamigen Counterstrike-Waffe. Und wer sucht schon nach “Roggenmehl Haarwäsche” oder “Wäsche mit Kastanien” waschen, hatte ich damals noch gescherzt. Ich dachte, dass es nur einige treue Leser*innen meines Kuchen-Blogs Cake Invasion sein würden, die geäußert hatten, dass sie gerne mehr über meinen Zero Waste Lebensstil erfahren wollten. Aber, äh, offenbar sind es doch ein paar mehr.
Siehst du ein Job-Potential in deiner Tätigkeit? Könntest du dir zum Beispiel vorstellen künftig persönliche Coachings und Beratungen zu geben und denkst du die Nachfrage wäre da?
Ich bin Bloggerin, und das aus Überzeugung und Leidenschaft. Weil ich gerne Content kreiere, kreativ bin und es liebe, alles in Eigenregie zu machen. Coachings und Beratungen halten mich gefühlt nur davon ab. Ich lehne sie jetzt nicht kategorisch ab, und die eine oder andere Nachfrage gab es schon, aber wie für Kultur ist für Umweltschutz auch “nie Geld da”, sprich, das Geld wird lieber für andere Sachen ausgegeben. Wenn es den Firmen im wahrsten Sinne des Wortes nichts wert ist, dann sehe ich ehrlich gesagt auch nicht, warum ich dafür meine begrenzte Zeit opfern soll. Die weiß ich auch sinnvoller einzusetzen.
Wenn es ums “Job-Potential” im Sinne von Geldverdienen geht, muss ich sagen, dass das Geldverdienen für mich als Bloggerin vor Zero Waste deutlich einfacher war. Mit Zero Waste kommen einfach mal 80% der Verdienstmöglichkeiten von der Überzeugung her nicht mehr in Frage.
Man bloggt aber auch nicht um des Geldes Willen, denn dafür lohnt es sich schlichtweg nicht, vor allem, wenn man das mal auf die Arbeitszeit umrechnet und bedenkt, dass man außerdem mit seiner Privatsphäre bezahlt. Wenn es um “Job-Potential” und Verdienst geht, dann kann man besser einen klassische Karriereweg einschlagen.
Wie aktiv bist du noch auf deinem zweiten Blog?
Leider nicht so aktiv, wie ich gerne wäre. Ich bin so viel unterwegs und wenn ich mal zu Hause bin, muss ich entweder noch ganz viel erledigen oder bin ich zu platt, um noch zu backen. Dass Wasteland Rebel in so kurzer Zeit so viel Aufmerksamkeit erregte, freut mich total, hat aber natürlich meinen Arbeitsalltag komplett gesprengt und neben meinem ersten Blog Cake Invasion auch mein soziales Leben fast gänzlich verdrängt. Da versuche ich gerade, eine gesündere Balance zu schaffen.
Liest du selbst viele Blogs und wenn ja, welche würdest du dringend empfehlen?
Themenverwandte Blogs, die ich selbst alle sehr gerne lese, sind:
- Mehr als Grünzeug, wo es neben leckeren veganen Rezepten auch um Zero Waste und nachhaltige Mode geht.
- Leckere vegane Gerichte, Nachhaltigkeits-Tipps und einen wunderschönen Saisonkalender gibt es außerdem bei Kraftfutter.
- Für Beauty-Tipps kann ich den veganen Beauty-Blog Blanc et Noir nur wärmstens empfehlen. Dort findet ihr z.B. Tipps für natürliche Körperpflege und bekommt eure Fragen zu Menstruationstassen beantwortet.
- Sehr zu empfehlen, wenn man Spaß dran hat, sich selbst seine Naturkosmetik zu machen, ist der Blog der Schwatzkatz – miau! Von ihr stammt auch das Deo-Rezept, von dem Hanno, mein Mann, nicht mehr aufhört zu schwärmen.
- Wenn ihr Dariadaria nicht sowieso schon folgt, dann guckt da auf jeden Fall vorbei, denn es geht da auch mehr und mehr um Zero Waste!
Wirklich sehr informative und hilfreiche Zero Waste Blogs, die ich regelmäßig besuche, sind:
- Zero Waste Familie
- Going Zero Waste
- Treading My Own Path
- The Rogue Ginger
- Snapshots of Simplicity
Vielen lieben Dank, Shia für das Interview. Mach weiter so!
Auf Shia´s Blog wastelandrebel.com finden sich übrigens auch viele weitere tolle Tipps für einen Zero Waste – Selbstversuch. Man findet außerdem eine Liste mit Läden, in denen man unverpackt einkaufen kann (z.B bei „Rutanatur“ in Augsburg oder „Regional und unverpackt“ in Schwäbisch Gmünd).
Vegtastische Grüße!
Sabrina
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